Wir können es kaum erwarten, am 12. Juni in Landquart unsere Tour über die Ostalpen in Angriff zu nehmen.
Irgendwie haben schon seit Tagen das Gefühl, einen Gondoliere "o sole mio" singen zu hören.
Bis Venedig werden wir wohl zuerst noch einige Klagelieder unserer Kollegen anhören müssen.
Schaffen wir es bis zur Poebene oder sind wir vorher schon am Arsch?
Wir haben so einen Schiss vor dem Schnee, dass wir zur Beruhigung des Gewissens drei Paar Snowspikes dabei haben.
Werden wir nur bis zur Hüfte oder doch bis zur Brust im Schnee einsinken?
Werden wir vor dem Abend in Zernez ankommen oder bleibt uns das Abendessen in den ewigen Schneefeldern stecken?
Tatsächlich wird uns der Schnee zum Verhängnis. Der Schnee raubt uns sehr viel Kraft und Zeit. Der Jüngste von uns möchte am liebsten nur noch im Schnee liegenbleiben und warten, bis der Abend kommt. Wir lassen den Scaletta rechts liegen. Der würde uns den Rest geben. Mit der Alternative Flüela sind alle sofort einverstanden. Der Flüela macht uns nur ein bisschen platt.
Drei leere Gesichter versuchen am Abend im Restaurant das Essen zu bestellen. Erst beim Dessert bringen wir wieder eine flüssige Unterhaltung zustande.
Fazit: Etappe 1 überlebt, Coronatest in Davos bestanden.
Es kann weiter gehen.
Für den heutigen Tag finden wir keine Worte. Dafür finden wir reichlich davonrennende Murmelis.
Zum Glück sind wir zu dritt. Was wir heute erlebt haben, würde uns kein Mensch glauben. Obwohl die zwei bezwungenen Pässe über 2200 m hoch waren, mussten wir nie Schneefelder queren. Endlich sind wir da, im Land unserer Träume. Hier riecht es überall nach Bananen!
Einer von uns hat im Bereich der persönlichen Poebene, in der Nähe des Canale Grande eine wunde Stelle. Wir verraten den Namen aus ethisch moralischen Gründen nicht. Werni kommt trotzdem mit auf die dritte Etappe. Wir steigen an einem Stück von 1250 auf 2650 Meter hoch. Auf dem Gaviapass treffen wir Tourenskifahrer. Wir erkundigen uns bei ihnen über den nächsten Übergang. Sie wollen uns ihre Tourenskis geben. Also nehmen wir die Alternativroute. Werni gönnt sich in einer hübschen Dorfkirche in der Sakristei eine weitere Salbung.
Heute sind wir früh im Ziel. Die Regenerationsetappe dauerte nur neun Stunden.
Der Morgen beginnt mit einem wunderschönen Aufstieg im dichten Wald nach Madonna di Campiglio. Gegen Ende des Weges haben wir das Gefühl, es habe uns jemand Bäume in den Weg gelegt. Werni und Dani üben sich im Gewichtheben und Klettern, während Thomas die Hindernisse frech umfährt. Unglaublich, welche Kraft in einem Stück Bündnerfleisch stecken kann!
Am Mittag stärken sich die drei Musketiere an der Sissi -Bar mit Sirup und Zuckerwatte.
Der Waldtrail ins Tal zaubert allen ein Lächeln ins Gesicht.
Auf sanft angelegten Velowegen sammeln wir viele Kilometer. Gewaltige Felsbänder, imposante Schluchten und tosende Gewässer ziehen an uns vorbei. An einem Aussichtspunkt lässt doch einer sein Handy liegen und merkt es erst am Talboden. Dani darf die Aussicht doppelt geniessen, während die anderen zwei am See ihre Füsse auf Körpertemperatur runterkühlen. Langsam verlassen uns die Kräfte. Wir trösten uns damit, dass es ja nur noch runter geht. Es geht noch 30 km runter mit 500 m Gegensteigung. Obwohl wir schon lange in Italien sind, kommen wir erst jetzt an die Grenze. Heute sind wir um Punkt 21.30 Uhr am Ende. Fertig für heute, Flasche leer.
Es ist Zeit, in die Hose zu schlüpfen und den letzten Hügel vor der Poebene zu bezwingen. Unterdessen ist das Höhenmeterfressen zur Gewohnheit geworden. Am Mittag stehen wir 1500m über dem Ausgangspunkt im feuchten Nebel auf dem Monte Grappa. Es riecht nach Meer. Hier oben sind im Ersten Weltkrieg 20'000 Männer gestorben. Eine monumentale Gedenkstätte erinnert daran. Wir sind sehr betroffen.
Auf schmalen, spektakulären Wegen, welche zu Kriegszeiten in die Kalkfelsen gemeisselt worden sind, kurven wir ins Tal. Der Weg ist so ausgesetzt, dass es und beim Blick in die Tiefe immer wieder schaudert. Die Trails scheinen nie aufhören zu wollen. Auf der Ebene angekommen, zieht uns die Lokomotive Werni nach Castelfranco. Wir sehen keine Hügel mehr vor uns.
Venedig, wir kommen!
Noch einmal schnüren wir unsere verschwitzten Schuhe. Dass es auf der Poebene keine Höhenmeter mehr gibt, geht uns an unseren wunden Hintern vorbei. Vom Gegenwind werden wir ebenfalls verschont. So rollen wir die letzten 50 Kilometer unserem Ziel entgegen. Das queren der kilometerlangen Brücke nach Venedig kommt uns vor wie ein Zieleinlauf eines Ultramarathons. Es friert uns bis in die Zehenspitzen. Die Touristen schauen mit fragenden Blicken unsere schmutzigen Mountainbikes an. Hier sind weit und breit keine Berge zu sehen.
Wir schleichen durch die Gassen Venedigs. Alles in uns entspannt sich. Bilder der vergangenen Tage blitzen auf. Sieben Tage kämpften wir uns bei herrlichstem Wetter durch Traumlandschaften, entdeckten genialste Trails, erreichten alle Etappenziele und durften stolz in Venedig einrollen. Wir sind uns einig. Dieses Abenteuer hat sich in unseren Köpfen eingeprägt und wird uns ewig in Erinnerung bleiben. Das gemeinsame Erlebnis wird uns immer verbinden.
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